SPD Nortorf

Das Nortorfer Sängerfest

Das Nortorfer Sängerfest

Die Behörden behielten solche aus ihrer Sicht gefährlichen Umtriebe im Auge und versuchten, organisierte Zusammenkünfte wenn möglich zu verhindern. Verfügungen des Regierungspräsidenten gaben ihnen die notwendigen Mittel dazu an die Hand. In einem Schreiben des an den Regierungspräsidenten vom 24. August 1897 meldete der Rendsburger Landrat Brütt  beispielsweise, daß Versammlungen in Büdelsdorf und Langwedel durch die Ortsvorsteher verboten worden seien. „Nur in Nortorf ist es den Sozialdemokraten gelungen, am 27. Juni d(ieses) J(ahres) ein ‚Sängerfest′ abzuhalten." (LAS, Abt. 309, Nr. 444).

Dieses Sängerfest beschäftigte die Behörden außerordentlich. Bereits zwei Tage vor dem Fest erschien der Landrat in Nortorf und besprach die Vorgehensweise mit Bürgermeister Reiff. Offenbar war er der Ansicht, der Bürgermeister und die Nortorfer Bürger nähmen die Veranstaltung nicht ernst genug, denn dieser berichtete über den Besuch an die Polizeiverwaltung des Regierungspräsidenten: „Ich bat dringend von der Entsendung von besonderen Gendarmen Abstand zu nehmen, da ich mit dem mir zur Verfügung stehenden Personal - 1 Polizeisergeant, 1 Gendarm und 2 Nachtwächter - ohne Zweifel leicht die Ordnung aufrecht erhalten könnte und im äußersten Notfall 50 - 60 Männer der freiwilligen Feuerwehr in 5 Minuten zur Verfügung ständen. Ich hob noch besonders hervor, daß die Beteiligung keine derartige sein würde wie die großsprecherischen Arrangeure des Festes den hiesigen Wirten vorgespiegelt hatten, und daß man durch die Entsendung von Gendarmen der Gesellschaft eine Bedeutung beilegen würde, die sie tatsächlich nicht besitzt und auch nicht verdient. ... In Nortorf sind die Sozialdemokraten seit Jahren eifrig bemüht, festen Fuß zu fassen, aber ohne jeden Erfolg. Wirkliche Sozialdemokraten gibt es hier etwa 6 - 10 Mann, die in den hiesigen Fabriken tätig sind. In der Bürgerschaft ist keine Spur davon vorhanden. Letztere hat auch das ganze Fest als ein gewöhnliches Sommervergnügen der Arbeiter aufgefaßt und nur aus diesem Grunde die Flaggen zur Begrüßung der Arbeiter gehißt, wie es auch geschieht bei Festen anderer Vereine und Kongregationen. Aus dem Hissen der Flaggen zu schließen, daß gerade diese Leute einer besonderen Sympathie der Bürgerschaft sich erfreuen, wäre ein schwerer Irrtum. Ich selbst hatte nach dem mir vorgelegten Programm

 

Quelle: LAS, Abt. 309, Nr. 444

und den mündlichen Erklärungen des Vorstehers des Bundes keine Veranlassung, diesem Fest irgendwelche gesetzlich nicht genehmigte Schwierigkeiten in den Weg zu legen." (LAS, Abt. 309, Nr. 12579)

 

 

Bürgermeister Reiff (1895 - 1908
(Foto: Stadtarchiv Nortorf)

Der 27. Juli 1897 war ein Sonntag. Im Laufe des Vormittags trafen die Festteilnehmer - Mitglieder der Gesangvereine aus Flensburg, Schleswig, Rendsburg, Lägerdorf und Eckernförde - ein. Obwohl Bürgermeister Reiff zusätzliche Polizisten für über-flüssig gehalten hatte, schickte der Landrat dennoch sechs Gendarmen, die ebenfalls am Morgen des Festtages in Nortorf erschienen. Ein Oberwachtmeister aus Rendsburg wurde auch sogleich aktiv, indem er die am Bahnhof angekommene Artilleriekapelle, die beim Fest spielen sollte, abfing. Im Bericht an seine Vorgesetzten heißt es: „Die Kapelle war bereits

12 Mann stark Sonntag früh in Nortorf eingetroffen, wurde aber durch meine Intervention an der Ausführung der Musik verhindert, da ich ihnen ganz ernstlich vorstellte, daß sie es hier mit Sozialdemokraten zu thun hätten, bei denen sie, wie sie auch wohl wüßten, nicht vorauf spielen dürften. Der älteste Musiker ordnete auch sofort die Rückkehr der Musiker nach Rendsburg an, die auch mit dem nächsten Zuge ausgeführt wurde."

Die 170 bis 180 Festteilnehmer, darunter etwa 60 Frauen und Kinder, ließen sich davon aber nicht die Laune verderben. Musiker, die den Festumzug begleiteten, waren bald gefunden und zum abschließenden Tanz spielte die Nortorfer Feuerwehrkapelle in den Sälen auf. Die eigentlichen Gesangsvorträge fanden auf einer Festkoppel außerhalb des Ortes statt. Alles lief in perfekter Harmonie ab. Nur der schon erwähnte Oberwachtmeister aus Rendsburg meinte eine Aufsässigkeit zu erkennen, als einer der Ordner ihm beim Betreten des Festplatzes eine Eintrittskarte abverlangte. Bürgermeister Reiff führte dies in seinem Bericht jedoch auf „jugendliche Flegelei" zurück und maß dem keinerlei Bedeutung bei. Insgesamt betrachtet war das Nortorfer Sängerfest also nicht so sehr politische Demonstration, sondern diente vielmehr der Kontaktpflege und dem Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Sozialdemokraten. 

 
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